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Energiewende erFahren 2024

1. Tag der Radtour nach Brüssel: Biodiesel, Biogas und Stromversorgung

Rund 70 Radler sind anläßlich der Europawahl am 2. Mai als Botschafter für die Energiewende Richtung Brüssel aufgebrochen. Auf der Reise gibt es viele Gespräche mit Betreibern und Politikern.

Lesezeit: 7 Minuten

Mit dem Ziel Brüssel sind am Donnerstag (2. Mai) rund 70 Teilnehmer der mittlerweile vierten „Die Energiewende erFAHREN“-Radtour des Landesverbandes Erneuerbare Energien NRW (LEE NRW) in Gescher aufgebrochen. An insgesamt sechs Tagen werden sie rund 450 Kilometer im Sattel verbringen und zahlreiche Anlagen und Betriebe rund um das Thema erneuerbare Energien besichtigen. Ziel ist es, auf die Europawahl, die Energiewende, aber auch auf das Fahrrad als Fortbewegungsmittel aufmerksam zu machen. „In Brüssel werden zunehmend wichtige Weichen für den deutschen Energiemarkt gestellt. Ein plakatives Beispiel ist die Umsetzung der RED III in nationales Recht, die jetzt jüngst im verabschiedeten Solarpaket I erfolgt ist“, sagt die LEE-Geschäftsführerin Tanja König.

Start in Gescher

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Startpunkt der Reise war der Standort der Firma PlanET Biogas Group in Gescher. Die Firma, die seit 25 Jahren Biogasanlagen plant und baut, ist vor rund zwei Jahren an den neuen Standort umgesiedelt. Hier hat PlanET ein innovatives Energiekonzept umgesetzt, um CO₂-neutral produzieren zu können. Dazu gehört eine PV-Anlage mit Speicher, eine Wärmepumpe, Erdwärmesonden, ein Biomethan-BHKW sowie Ladesäulen für E-Fahrzeuge.

Bei PlanET in Gescher arbeiten rund 250 Mitarbeiter, weltweit sind es über 350. Weitere Standorte gibt es in Frankreich, Nordamerika und Brasilien. „Mittlerweile sind wir überwiegend im Bau von Biomethananlagen tätig und haben davon über 100 Anlagen weltweit errichtet“, berichtet Mitgeschäftsführer Jörg Meyer zu Strohe, der die Firma zusammen mit Hendrik Becker im Jahr 1998 gegründet hat.

Biodieselproduzenten unter Druck

Das zweite Ziel der Gruppe war die Renewable Energy Group in Oeding, die seit zwei Jahren zum amerikanischen Chevron-Konzern gehört. Das Werk produziert im Jahr rund 85.000 l Biodiesel aus Altspeisefetten. Eigentlich müsste dem Werk eine gute Zukunft bevorstehen: Seit dem 1. Mai ist es in Deutschland möglich, statt bisher 7 % nun 10 % Biodiesel in fossilem Diesel beizumischen. Das müsste den Absatz steigern. Doch seit etwa einem Jahr steht das Werk still. „Grund ist chinesischer Biodiesel, der seit Ende 2022 den europäischen Markt überflutet“, erklärt Michael Fiedler-Panajotopoulos, Director, Government Affairs bei der Chevron Renewable Energy Group. Mit der gezielten Subventionierung von Produkten wolle China europäische Hersteller aus dem Markt drängen. Zu beobachten sei das auch bei Windrädern, Solarmodulen, Elektrofahrzeugen und Batterien. „Das ist keine Marktwirtschaft, sondern politisches Kalkül. Darum setzen wir uns dafür ein, dass es Schutzzölle gibt“, sagt er. Die EU-Handelsabteilung sei dabei, aufgrund eines Antrags der europäischen Biodieselindustrie, Schutzmaßnahmen zu erarbeiten. Fiedler-Panajotopoulos plädiert dafür, dass Importmengen ab sofort registriert würden, um auch nachträglich Schutzzölle erheben und europäische Hersteller schützen zu können. „Dann können wir hier auch wieder produzieren“, macht er deutlich.

Der Import aus China hat den Preis für die Treibhausgasminderungsquote (THG-Quote) abstürzen lassen. „Das betrifft auch Fahrer von Elektrofahrzeugen oder Produzenten von Biomethan“, ergänzt Hendrik Becker.

Zuviel Bürokratie

Tony Uphues aus Borken hat im Jahr 2017 eine Biogasanlage mit 50 kW in Betrieb genommen. Er vergärt die Gülle und den Mist der 300 Milchkühe. „Die Anlage passt wunderbar in unser Betriebskonzept: Wir haben eine homogenere Gülle und brauchten kein Güllelager zusätzlich zu bauen“, sagt der junge Landwirt. Was er allerdings als Nachteil sieht, sind die starren Vorgaben des Erneuerbare-Energien-Gesetzes und die Bürokratie. „Wir würden gern Abwärme von der Anlage bei unserem automatischen Melksystem nutzen. Oder die Photovoltaikanlage erweitern. Aber überall werden einem Steine in den Weg gelegt, sodass wir auf die Investition verzichten.“ Er sieht in dem Paragraphendschungel eine große Hürde für die Energiewende.

Eigene Stromversorgung

Dass Industrieunternehmen die Energiewende auch aus Kostengründen vorantreiben, zeigt das Beispiel der Firma SETEX Textilveredelung in Bocholt. Der Betrieb produziert aus Baumwolle und Polyesterfasern im Jahr rund 11 Mio. m Textilien wie Dekorations- und Hosenstoffe sowie Trägermaterial für Klebstoffe und Pflaster. „Wir haben uns bei der Energieversorgung komplett neu aufgestellt“, berichtet Matthias Bußhaus, bei der SETEX-Gruppe zuständig für den Strom- und Gaseinkauf. Hintergrund dafür war der Ukrainekrieg. „Vorher hatten wir einen Arbeitspreis von 4,8 bis 5 ct/kWh gezahlt. Dann wollte der Energieversorger den Preis auf bis zu 14 ct/kWh erhöhen. Wir haben uns dagegen entschieden und setzen stattdessen auf Kombination von dynamischen und fixen Stromtarifen“, erklärt er.

Das Konzept sieht aktuell so aus:

  • Das Unternehmen hat mit Betreibern von Windenergieanlagen aus Nordrhein-Westfalen Stromlieferverträge (Power Purchase Agreements, PPA) abgeschlossen und sich damit über mehrere Jahre feste Preise gesichert. Damit deckt SETEX rund 50 % des Strombedarfs ab. „Die festen Preise geben uns Planungssicherheit und federn Preisschwankungen ab.“

  • Den Rest bezieht die Firma flexibel über die Börse.

  • Am Standort Dingden, wo rund 10 Mio. kWh Strom benötigt werden, gibt es bereits Solaranlagen mit insgesamt 1,8 MW auf den Dächern der Betriebsgebäude.

Seit 2020 ist zudem auf einer landwirtschaftlichen Fläche in der Nähe eine Freiflächenanlage mit 6,5 MW geplant. Der Strom soll über eine 2,7 km lange Trasse ins Werk geleitet werden. Die Betreibergesellschaft des Solarparks schließt dazu mit SETEX offiziell einen PPA-Vertrag ab. „Mit der Anlage in Ost-West-Ausrichtung werden wir 55 % des erzeugten Stroms direkt im Werk einsetzen“, prognostiziert Bußhaus. Um den Eigenverbrauchsanteil zu erhöhen, soll künftig auch am Wochenende in dem Werk produziert werden.

Nur die eigene Leitung verhilft der Freiflächenanlage zur Wirtschaftlichkeit. „Wir brauchen kein Abgaben zahlen, die bei Strom aus dem öffentlichen Netz anfallen“, begründet er das.

Auch Bußhaus bemängelt die teilweise überbordende Bürokratie, die viele Projekte der Energiewende ausbremst. „Seit 2020 planen wir die Anlage, der Aufwand für die Genehmigung ist enorm“, berichtet er.

Weitere Stimmen

Bei den unterschiedlichen Stationen kamen immer wieder auch Politiker zu Wort. Hier ihre Sicht auf die Energiewende:

  • Anne Kortüm, Bürgermeisterin von Gescher: „Das Thema Energiewende geht uns alle an. Gerade für uns Kommunen ist es eine große Herausforderung. Wind und PV treibt uns gerade besonders um, weil es unterschiedliche Interessen gibt. Diese müssen wir zusammenbringen.“

  • Dr. Kai Zwicker, Landrat im Landkreis Borken: „Das Westmünsterland ist ein Hotspot der Energiewende, hier gibt es Biogas, Windkraft und auch Photovoltaik. Weil sie Tausenden Bürgern Arbeit geben und eine große wirtschaftliche Bedeutung für die Region haben, genießt die Energiewende hier eine große Akzeptanz. Einen besonderen Stellenwert hat bei uns die Landwirtschaft, ohne sie wäre die Energiewende nicht zu stemmen. Das findet zu wenig Beachtung in den Parlamenten von Düsseldorf oder Berlin.“

  • Thomas Kerkhoff, Bürgermeister von Bocholt: „Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, geht das nur, wenn es die Kommunen des ländlichen Raums machen. Wir haben die Verpflichtung, insgesamt Energie zu Verfügung zu stellen. Die Stadt ist Bocholt ist Fahrradstadt. Der Sektor Verkehr ist wichtig. Wenn wir da mehr auf die Pedale setzen, als auf das Auto, wäre viel getan.“

  • Markus Lask, Stellvertretender Bürgermeister der Gemeinde Oeding: „Wir spüren in unserer Grenzregion, dass der europäische Gedanke auch Probleme machen kann, z.B. bei der Planung eines Windparks in der Nähe der niederländischen Grenze. Wir brauchen eine gesetzliche Änderung auf Bundes- oder sogar EU-Ebene.“

  • Joris Bengevoord, Bürgermeister der niederländischen Stadt Winterswijk: „Wir haben auf unserer Seite ein Naturschutzgebiet nach Natura 2000, es ist unsicher, ob in der Nähe Windräder sinnvoll sind. Bei uns darf der Gemeinderat entscheiden, wo die Windenergie stehen darf. Das ist anders als in Deutschland. Wir müssen versuchen, in Gesprächen zu einem guten Ergebnis zu kommen, das haben wir bisher immer geschafft.“

  • Sabrina Salomon (CDU), Kandidatin für das Europäische Parlament: „Die EU-Ziele zum Klimaschutz sind ambitioniert. Doch Ziele nützen nichts, wenn wir sie nicht umsetzen. Viele Unternehmen wollen auf CO₂-neutrale Produktion umstellen. Aber die Genehmigungsverfahren dauern zu lange. Da müssen wir ansetzen, wir brauchen weniger Bürokratie.“

Film zur Tour

Auf Youtube finden Sie einen Film zu dieser Tagesetappe der Tour "Energiewende erFAHREN 2024".

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